Huhn Loch im Zaun

Bedarf nach Hühnersuppe Folge 2

Was ein Hühnerhof mit Service Management zu tun haben kann. Folge 2 „Änderung tut Not“ 

von Christof Huschens 

Die Nacht auf dem Hühnerhof war erfreulich und ohne die befürchtete Geruchsbelästigung durch das Federvieh verlaufen. Das mitgebuchte Frühstück ist reichhaltig und ohne jede Hektik in einem Raum mit Ausblick auf ein kleines Tal bereitgestellt. Eine Tasse Kaffee in der Hand bereite sich Kilian auf das Dauerthema der IT vor: Changes oder genauer: technische Änderungen. 

Ruhig geht er die erwarteten Antworten der Teilnehmer seines Kurses auf seine Aussagen durch. «Keine Änderung ohne Autorisierung» Antwort: «Aber so viel Papierkram. Alles viel zu umständlich». Kilian trainiert nicht de Antwort zu geben, die ihm auf der Zunge liegt: «Dann such halt lieber die Fehler!» Oder «Faulheit als Lebensmotto?», das muss er sich verkneifen. «Nein Kilian, das wirst du nicht mal denken!»  

Genügt der Hinweis auf die Tatsache, dass die meisten Fehler und Zwischenfälle fehlgeschlagene Changes sind? Das wird mal wieder niemand glauben. «Bei uns … Bla Blahh …» Schon nach den beiden ersten Wörtern schaltet Kilian die Ohren auf Durchzug. Neuerdings aktiviert er dann ein virtuelles Bingo Feld mit allen flachen Antworten, weshalb es «Bei uns» immer anders ist. Bingo nach 3 Minuten spätestens nach einer Stunde ist üblich. 

Bei seinem jetzigen Kunden bekam er eine originelle Antwort. Seine Vorbereitung ließ ihn folgende Replik erwarten: «Das mit dem Change Management haben wir installiert, aber es wirkt nicht. Wir haben einen Changemanager und eine Exceltabelle, in die alles eingetragen wird, aber keine hält sich dran.» Und sie kam. Ohne rot zu werden. 

Klarer Fall von «Toolitis». Ein in der IT weit verbreitetes und wohl auch ansteckendes Gebrechen: «Alle Prozessfehler lassen mit einem Tool lösen».  

Kilian wird sich spontan entscheiden: Auf die Diskussion eingehen oder? Ja, was oder? Zuerst die Typen von Changes vorstellen? Standard und Normal Change? Die dann sofort verwechselt und durcheinander geworfen werden? Spätestens bei der Aussage: «Ein Standard-Change ist vorab genehmigt, weil wir ja einen Standard haben», wird er wieder in einige leere Gesichter schauen. Licht an, keiner mehr da. 

Besser zuerst erklären, was ein Standard ist? Aber das ist doch peinlich, aber nötig. Wie kommt er sonst zu der Erkenntnis das «Service Request» und «Standard Change» sehr eng zusammenhängen? Oder zuerst mit kernigen Merksätzen arbeiten wie: 

«Erst Standardisieren, dann automatisieren?» Das wäre dann wieder zu früh. Weil ja «Service Request» nicht klar ist und dessen Bedeutung für die Automatisierung. 

Nein, den Change Prozess fangen wir beim «Normal Change» an und der Notwendigkeit einen Business Case für jede Änderung zu haben. Dann Textform fordern und zu den sieben R kommen. Ja das ist gut. Planen wir noch einige Minuten, weil alles verwechselt wird. Leise murmelt der vor sich hin: « Sieben R» 

«Welche sieben R», fragt die Hühnerhofchefin, die völlig unbemerkt an seinen Tisch gekommen ist. Er hat wieder Selbstgespräche geführt und nicht nur leise gedacht. «Verdammt ich werde alt!»  

«Ich hab nur laut gedacht. Entschuldigung. Ich habe gerade die Aufgabe, einen Änderungsprozess zu etablieren, der auch gelebt wird. Da gibt es in der IT eine Regel, wie solche Vorgänge dokumentiert und vorbereitet werden. Das wird die nächsten Tage, wenn nicht Wochen, Thema sein. Also bleibe ich ihnen erhalten.»  

«Das wollte ich eigentlich nur wissen. Denn sie wurden nur als Notfall angekündigt!» 

«Jetzt habe ich ausgepackt und es gefällt mir hier. Bevor ich jetzt in eine ungewisse Zukunft – oder andere Unterkunft – wechsele, bleibe ich gerne hier. Falls es passt. Ich bin, wie alle Menschen, eher nicht auf Änderungen ohne klaren Vorteil erpicht. Oder als Lob: Es ist hier sehr schön und ich kann mit nicht vorstellen, dass die Unterkunft meines Kunden besser ist.»  

«Ich muss nur etwas umorganisieren, dann können sie gerne das Zimmer länger benutzen. Bitte sagen Sie mir nur einige Tage vor der Abreise Bescheid. Es freut mich, dass es Ihnen hier gefällt. Vielleicht können wir ja auch nochmal profitieren. Wer weiß.» 

Sobald Kilian alleine ist, memoriert er nochmal schnell die «sieben R» aus der englischen Bibel. Der Notizzettel ist schnell gefunden: 

  • Who RAISED the change request? 
  • REASON behind the change? 
  • RETURN required from the change? 
  • RISKS involved in the requested change? 
  • Who is RESPONSIBLE for the create, test and implement the change? 
  • RESOURCES required to deliver the change? 
  • RELATIONSHIP between suggested change and other changes? 

Die Chefin schaut über die Schulter und meint: «Sollte ich auch immer machen, da ist nie Zeit dafür.» 

  1. Sieben Riesenhühner oder: Was ist nun mit dem Zaun? 

Abends findet sich Kilian wieder in dem kleinen Gasthof ein. Es ist schon ‚sein‘ Tisch vorbereitet. Einige Tage sind vergangen und der Zaunvorfall schon fast vergessen. Hühnersuppe hat er immer noch nicht bestellt. Einige kurze Gespräche mit der Chefin haben ihn etwas schlauer zum Thema «Hühner» gemacht. Riesen Hühner, Fleischhühner, Tierschutz und Ökologie. Wirklich schlau ist er nicht geworden, aber bestärkt in der Abneigung von Massentierhaltung. 

Heute hat die Chefin etwas mehr Zeit. «Darf ich mich zu Ihnen setzen?», fragt sie höflich und Kilian deutet erfreut auf den freien Stuhl. Kilian beobachtet sie schon seit dem zweiten Tag aufmerksam. «Wir haben uns um das Thema Zaun gekümmert. Das wollte ich Ihnen nur kurz sagen. Die Bretter sind ersetzt. Das Problem gelöst. Wie haben neuen Draht benutzt.», sagt seine Gegenüber, zufrieden mit sich selbst. «Danke für den Hinweis.» 

«Sie machen den Eindruck, dass etwas weniger Stress ist, oder täusche ich mich. Sie sehen richtig gut aus.» Kilian will die Gelegenheit für ein Kompliment nutzen und findet sich sofort peinlich. ‚Plump. Das fällt auf!‘, denkt er sich. 

Die Chefin lächelt ihn an. «Stimmt, wir haben das Thema Zaun angefangen. Aber das ist nicht so einfach, wie es aussieht. Wir halten Riesenhühner und kleine Vögel. Alles biologisch.» 

«Riesenhühner?», fragt Kilian. 

«Eine belgische Rasse. Die haben schon Kraft und Energie.»  

«Haben sie denn einen Zaun gefunden, der passt?»  

«Zaun gefunden? Im Baumarkt gekauft und aufgestellt» ist die Antwort in etwas erstauntem Ton. 

«Ich meine da gibt es doch Risiken und die Frage: Ist das rentabel?  Wie lang hält der? Und passt der zum Firmenkonzept «Biologisch»?», fragt der ‚super schlaue Berater‘ und kommt sich so was von doof vor. Aber immer im Gespräch halten. Dann setzt er ein drauf: «Ich hab da den Lieferwagen eines Biohändlers auf dem Hof beim einladen gesehen. Meinen Sie nicht, dass die das Material des Zaunes interessieren könnte?» 

Sein Gegenüber schaut ihn nachdenklich an. «Habe ich mir nie überlegt. Aber wann soll ich das alles machen?»  

Kilian wittert eine Chance und meint: «Mit mir beim Abendessen. Ich wollte schon immer wissen, ob diese Konzepte auch außerhalb der IT funktionieren» 


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